Hufrehe


Die Hufrehe (Laminitis, Pododermatitis diffusa aseptica) ist eine Entzündung der Huflederhaut mit verschiedenen Ursachen und Entstehungsmechanismen.

Bereits der Verdacht auf Hufrehe sollte als Notfall behandelt werden. Es ist unbedingt sofort (auch abends und am Wochenende) der Tierarzt zu rufen!

Die Huflederhaut der Zehenwand ist Teil des sogenannten Hufbeinträgers mit dem das Hufbein in der Hornkapsel aufgehängt ist.

Die Huflederhaut verbindet das knöcherne Hufbein mit der Hornkapsel.

Bei der Hufrehe löst sich diese Verbindung und es kommt zu einer mehr oder weniger starken Lageveränderung des Hufbeins in der Hornkapsel (Hufbeinsenkung, Hufbeinrotation, Kapselrotation). Die Hufbeinrotation entsteht dadurch, dass die tiefe Beugesehne, die an der Unterfläche des Hufbeins ansetzt, dieses von der Hornkapsel wegzieht. Auf dem seitlichen Röntgenbild stellt sich dies so dar, dass die normalerweise vorhandene Parallelität zwischen der vorderen Fläche des Hufbeins und der vorderen Hufwand aufgehoben ist (chronische Hufrehe). An der Sohle erkennt man dies an der Verbreiterung der weißen Linie.

Röntgenbild eines gesunden Hufes

Im schlimmsten Fall kommt es zum Durchbruch der Hufbeinspitze durch die Sohle oder dem kompletten Ausschuhen (Verlust der Hornkapsel). In diesen Fällen muss das Pferd getötet werden.

Hufrehe ist unglaublich schmerzhaft. Zum Vergleich kann man sich vorstellen eine Nagelbettentzündung zu haben (oder sich mit dem Hammer auf den Fingernagel zu hauen) und an diesen Fingernagel ein 15 kg – Gewicht zu hängen…

Hufbeinrotation, Parallelität von Wand und Hufbein aufgehoben, Zehenachse gebrochen

 

Kapselrotation, Parallelität von Wand und Hufbein aufgehoben, Zehenachse ungebrochen

Meistens sind beide Vorderhufe, oft auch weniger stark die Hinterhufe betroffen. Bei der Belastungsrehe kann auch nur ein Huf betroffen sein.

Akut erkrankte Pferde haben deutliche Pulsation an den Fußarterien, warme bis heiße Hufe, zeigen einen klammen Gang mit typischer Trachtenfußung, Wendeschmerz und sind bei der Untersuchung mit der Hufzange oft hochgradig schmerzhaft. Ist noch keine Empfindlichkeit bei der Hufzangenuntersuchung vorhanden, sind die Hufe häufig klopfempfindlich.


Der Lahmheitsgrad der akuten Hufrehe wird nach dem System nach Obel unterteilt:


  1. Grad: geringgradige Lahmheit, Pferde tippeln von einem Huf auf den anderen

  2. Grad: deutlichere Lahmheit, Pferde bewegen sich noch freiwillig, das Aufheben eines Hufes ist möglich

  3. Grad: Pferd lässt sich nur noch unter Zwang bewegen und wehrt sich gegen das Aufheben eines Hufes

  4. Grad: Pferd lässt sich nicht mehr bewegen, Aufnehmen eines Hufes unmöglich


Die Unterscheidung zwischen einer akuten und einer chronischen Hufrehe besteht zunächst nur in der Lageveränderung des Hufbeines in der Hornkapsel. Die klinischen Symptome während dieses Übergangs sind gleich denen der akuten Hufrehe.


Im chronischen Stadium kommt es nach Abklingen der Entzündung zu einer Neubildung des zerstörten Hufbeinträgers. Dieser kann aber durch falsche oder fehlende Hufkorrektur oder wiederkehrende Entzündungen oft nicht die ursprüngliche Funktion übernehmen. Viele Pferde bleiben nach einer stärkeren akuten Hufrehe Dauerpatienten und benötigen lebenslange orthopädische Beschläge. Trotzdem können viele Pferde nach überstandener Hufrehe, insbesondere wenn diese früh genug erkannt, intensiv genug behandelt und die Ursache abgestellt wurde, wieder normal genutzt werden.



Hufreheformen und Ursachen


Die häufigste Form der Hufrehe ist sicher die stoffwechselbedingte Rehe, die durch das Equine Cushing Syndrom oder das Equine Metabolische Syndrom (ECS und EMS, mehr unter Stoffwechselerkrankungen) ausgelöst wird.

Die endotoxische Hufrehe kann durch Nachgeburtsverhaltung bei Stuten oder Infektionskrankheiten ausgelöst werden und ist eher selten. Auch die Fütterungsrehe (Hafertonne leergefressen) gehört zu den toxischen Rehen. Hier wird vermutet, dass durch die massive Zufuhr von Kohlehydraten im Dickdarm Bakterien absterben, die wiederum Endotoxine (Gifte) freisetzen. Exogene Vergiftungen, zum Beispiel durch Eibe, führen ebenfalls zur toxisch bedingten Form der Hufrehe.

Die „Grasrehe“ stellt eine Zwischenform zwischen der stoffwechselbedingten und der endotoxischen Hufrehe dar, hier kann es sowohl durch eine Störung des Zuckerstoffwechsels (Fruktane) als auch durch Mechanismen im Darm zur Hufrehe kommen.

Einen wiederum gänzlich anderen Entstehungsmechanismus haben die Belastungs- und die Pflaster- oder Marschrehe. Von einer Belastungsrehe spricht man, wenn es aufgrund einer Lahmheit an der anderen Gliedmaße durch übermäßige Belastung des eigentlich gesunden Beines zu einer Hufrehe kommt. Pflaster- und Marschrehe sind Begriffe aus Zeiten des Arbeitspferdes. Heute kommt es weniger durch übermäßiges Reiten zu dieser Reheform, öfter dadurch dass entsprechend prädisponierte Pferde (frühere Rehe, dünne Sohle, EMS/ECS) im Winter auf hart gefrorenen unebenen Böden gehalten werden.


Was genau die Entzündung der Huflederhaut auslöst und was während der Entzündung in der Huflederhaut passiert ist immer noch unklar. Es gibt verschiedene Erklärungsansätze und derzeit sieht es danach aus, als wären, je nach Ursache, verschiedene Mechanismen möglich.

Bei der fütterungsbedingten Rehe kommt es zu Aktivierung von Entzündungszellen und einer bestimmten, die Basalmembran der Lederhautzellen zerstörendem Proteinform, den Metalloproteasen. Ähnliche Mechanismen werden bei den toxischen Reheformen angenommen.

Bei der insulininduzierten Rehe (EMS, ECS) werden zwei Mechanismen angenommen. Zum einen führt die Insulinresistenz dazu dass nicht genug Energie in die Zellen der Huflederhaut gelangt, zum anderen kommt es zu einer verminderten Durchblutung des Hufes. Zusätzlich besteht bei EMS durch die „Fetthormone“ ein permanenter leichter Entzündungszustand.

Die glücklicherweise seltene durch Cortison verursachte Rehe beruht auf den gleichen Mechanismen.

Die verschiedenen Formen der Belastungsrehe beruhen auf einer primären Entzündung der überbelasteten Huflederhaut. Auch hierbei spielen Entzündungszellen, Proteine und Durchblutungsstörungen eine Rolle. Um eine solche Rehe auszulösen müssen jedoch weitere Faktoren hinzukommen (Stoffwechselstörungen, dünne Sohle, genetische Disposition?)


Behandlung


So unterschiedlich Ursachen und Krankheitsmechanismen bei den einzelnen Reheformen auch sind, die Behandlung ist immer ähnlich.

Grundsätzlich sind 3 Aspekte zu beachten:

  1. Finden und Abstellen der Ursache

Beruht die Hufrehe auf einem Equinen Cushing Syndrom so ist die Behandlung mittels Pergolid einfach und bringt, neben den übrigen Maßnahmen, schnell Besserung.

Beim Equinen Metabolischen Syndrom muss die Fütterung überprüft werden. Eine primäre Behandlung des metabolischen Syndroms gibt es beim Pferd nicht.

Bei jeder Hufreheerkrankung sollte auf EMS und ECS untersucht werden!

Bei der endotoxischen Rehe muss die Grunderkrankung behandelt werden (Infektion, Nachgeburtsverhaltung), bei der Rehe durch andere Toxine wird versucht diese schnellst möglich aus dem Körper zu entfernen (z.B. Aktivkohle, Paraffinöl zur Beschleunigung der Darmpassage). Auch bei Fütterungsrehe (Hafertonne) kann versucht werden die Darmpassage zu beschleunigen.

Bei der Belastungsrehe mit Erkrankung eines anderen Beines ist die sinnvollste Maßnahme das Pferd mittels Geschirr (z.B. Schwinglifter) aufzuhängen um die Last von beiden Gliedmaßen zu nehmen. Die Ursachen für Belastungsrehe durch Überlastung beim Reiten/Fahren oder durch harten Boden ist durch Änderung der Nutzung und Haltung leicht abzustellen…


  1. Entzündungshemmung und Gefäßerweiterung

Die erste, bei Verdacht auch schon vom Besitzer vorzunehmende, Maßnahme ist das Kühlen der Hufe. Dies kann mittels Angußverbänden geschehen oder indem das Pferd in einen Bach oder in Eimer mit Eiswasser gestellt wird (die Beste Methode).

Im akuten Stadium sollte das Pferd so wenig wie möglich bewegt werden, da dies zu schwereren Schäden im Huf führen kann.

Der Tierarzt wird neben der Kühlung Medikamente zur Durchblutungsverbesserung und Blutverdünnung geben (Heparin, Aspirin, Acepromaczin). Eine altmodische aber sehr effektive Behandlung ist der Aderlass, Tierärzte mit Akupunkturerfahrung lassen häufig auch einen Akupunkturpunkt am Huf bluten, was vielen Pferden sofort Erleichterung bringt.

Außerdem werden Entzündunghemmer gegeben (z.B. Phenylbutazon, Meloxicam, Flunixin). Diese Mittel wirken auch immer gegen Schmerzen wobei dies hier nicht im Vordergrund stehen sollte, da Schmerz zu einer verminderten Bewegungsaktivität führt, was im akuten Stadium durchaus erwünscht ist.


  1. Verhinderung der Lageveränderung des Hufbeines in der Hornkapsel (Senkung, Rotation)

Beim akut an Hufrehe erkrankten Pferd wird versucht das Fortschreiten der Entzündung und die Verlagerung des Hufbeins zu verhindern.

Dies geschieht indem der vordere Teil des Hufes ent- und der hintere Teil belastet und höher gestellt wird. Somit vermindert sich der Zug der tiefen Beugesehne auf das Hufbein und der entzündete vordere Teil des Hufes wird aus der Belastung genommen.

Diese Maßnahme kann durch entsprechende Verbände, Gipse oder Schuhe (Rehefix oder Klebeschuhe) durchgeführt werden und führt meist sofort zu einer starken Reduktion der Schmerzen.

Bei rechtzeitiger Behandlung verlagert sich das Hufbein nicht und die Trachtenerhöhung kann nach ca. 14 Tagen wieder entfernt werden.

Sind in den Röntgenaufnahmen Veränderungen erkennbar, so muss die Trachtenerhöhung für weitere Wochen zum Beispiel durch ein Eisen mit Keilplatte erhalten werden. Hat sich der Huf stabilisiert wird nach klinischem Bild und Röntgenbefund weiter verfahren. Eine Zusammenarbeit zwischen dem behandelndem Tierarzt und dem Hufschmied/Hufbearbeiter ist hierbei absolut wünschenswert.

Einen Standartbeschlag für den chronischen Rehehuf gibt es nicht. Wichtig ist immer die vordere Hufwand zu entlasten und eine sich möglicherweise bildende „Knolle“ abzutragen. Das Weitere Vorgehen ist von Pferd zu Pferd unterschiedlich. Manche Pferde können wieder barhuf gehen, anderen hilft ein NBS- oder ein Kunststoffbeschlag, manche brauchen spezielle Polster…


Die Hufrehe ist zu Recht eine der gefürchtetesten Krankheiten des Pferdes. Bei rechtzeitiger und intensiver Behandlung bestehen aber durchaus gute Chancen nicht nur das Leben sondern auch die Reitbarkeit des Pferdes erhalten zu können.

Heute können dank neuer Erkenntnisse und Diagnosemöglichkeiten (siehe auch Stoffwechselerkrankungen EMS/ECS) viele Hufreheerkrankungen vermieden werden.